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Willi Kosiul Autor
aus der Bukowina
Ob sie meinen Vater in einem Sarg, in einer Bretterkiste oder nur in einer Decke eingewickelt und auf dem Friedhof oder in seinem Garten beigesetzt hatte, bleibt hier bei diesem Gespräch auch offen. Nach dem Tode meines Vaters ist diese rumänische Frau und Betreuerin meines Vaters –mit ihrer Tochter- in Vaters Haus eingezogen und hat sich alles, war dort war, angeeignet, das Haus mit Stall, Scheune, das Vieh, die Hauswirtschaft, den Garten und Acker. Mein Vater hatte ja dort keine Erben, die sich um alles hätten kümmern können. Ich glaube diese notwendige fremde Hilfe war bereits nach seinem ersten Schlaganfall notwendig, wo er danach rechtsseitig gelähmt war und in Haus und Wirtschaft schon nichts mehr machen konnte. Wenn diese fremde Rumänin das alles nicht gemacht hätte, ob recht oder schlecht, wer sollte es dann machen, bis hin zu Vaters Beisetzung? Diese Betreuerin meines Vaters hatte ab Sommer 1946 auch nichts mehr von dem „geerbten“ Haus und Grundstück meines Vaters, wie Haus, Stall, Feld, Garten usw., weil danach alles für die Errichtung des sowjetischen militärischen Truppenübungsplatzes geräumt wurde und auch diese rumänische Frau mit ihrer Tochter aus diesem Haus ausziehen musste. Somit hatte ich in dieser Gesprächsgruppe zufällig diese alte rumänische Frau getroffen, die die Schwester der Betreuerin meines Vaters war. Diese Schwester der Betreuerin meines Vaters erzählte mir aus ihrer Sicht über meinen Vater und ihre Schwester folgendes: Ihre Schwester, die auch eine erwachsene Tochter hatte, ist 1944 in das Haus meines Bruders Adolf eingezogen und hat dort gewohnt. Sie hatte mit ihrer Tochter den Acker bestellt, den Garten bewirtschaftet, sich Kleinvieh gehalten und davon ernährt. Sie hatte auch meinen Vater versorgt, angeblich drei Mal täglich essen gekocht, im Stall gearbeitet, die Kuh gemolken usw. Auch hatte sie meinem Vater die Wäsche gewaschen, im Haushalt, Stall und Feld mit ihrer Tochter alle Arbeiten mit meinem Vater zusammen, so lange er noch gesund war, erledigt und so hatten alle drei davon gelebt. Im Dezember 1945 hatte mein Vater einen Schlaganfall bekommen, so dass dadurch seine rechte Körperseite gelähmt war. Danach konnte mein Vater mit der rechten Hand nichts mehr machen und zog beim Gehen auch sein rechtes Bein nur noch nach. Er konnte auch das Bein nicht mehr setzen bzw. darauf stehen. Die rechte Hand hing kraftlos herunter und hatte gezittert. Er konnte damit gar nichts mehr halten und den rechten Arm auch nicht mehr anheben. Auch seine Sprache war behindert, er lallte nur schwer verständliche Worte. Arbeiten konnte er danach überhaupt nicht mehr und musste von nun an voll versorgt und betreut werden. Seine Betreuerin, tat das alles –angeblich- mit ihrer Tochter gemeinsam. Im März 1946 erhielt mein Vater den 2. Schlaganfall und ist daran gestorben. Mein Vater war zu dieser Zeit alleine in seinem Haus. Morgens als die alte rumänische Frau aus ihrem Haus kam (aus dem Haus meines Bruders Adolf, etwa 60 m entfernt), um meinem Vater das Frühstück zu machen und nach dem Rechten zu sehen, da war mein Vater schon tot. Das alles hatte mir im Jahre 1999 die Schwester der Betreuerin meines Vaters in unserer dortigen Gruppenunterhaltung so erzählt und mich mit dieser doch sehr emotionalen Information auch persönlich gefesselt. Ob das alles so war und auch so stimmte, das konnte ich dort nicht mehr überprüfen. Es kann so stimmen, aber auch nicht. Denn der alte beinamputierte rumänische Mann, der bei der Unterhaltung in dieser Gesprächsgruppe, als nur stiller Zuhörer dort abseits war, hatte bei der Schilderung der Schwester der Betreuerin meines Vaters, sehr oft dabei seinen Kopf geschüttelt, als wenn davon vieles nicht der Wahrheit entsprach und er es anders kannte. Diese rumänische Frau –die Betreuerin meines Vaters- hatte dann (angeblich) mit ihrer Tochter meinen Vater auf dem deutschen römisch katholischen Friedhof in Czudyn beerdigt. Wo und an welcher Stelle genau die Bestattungsstelle meines Vaters war, wusste leider dort niemand. Es kann auch angenommen werden, dass diese Frau meinen Vater recht primitiv und in aller Stille in die Erde gebracht hatte. Auch ohne Pfarrer, denn mein Vater war Katholik und diese Frau hatte einen orientalisch orthodoxen Glauben. Sein Holzsarg, wenn er überhaupt einen hatte, kann auch nur sehr primitiv gewesen sein, denn diese rumänische Frau war sehr arm und hatte vermutlich auch kein Geld, einen Sarg bauen zu lassen, höchstens eine „Bretterkiste“. Ob an seinem Grab ein Holzkreuz angebracht wurde, daran konnte sich die Frau, die ich sprach, auch nicht mehr erinnern. Als ich begann dieses dortige Gruppengespräch mit den rumänischen Frauen langsam zu beenden, um mich alleine diesem alten beinamputierten rumänischen Mann zuzuwenden, da merkte ich zu meiner Überraschung, dass er nicht mehr da sondern schon davon gegangen war. Sofort erkundigte ich mich noch bei den hier anwesenden Frauen über seinen Namen und seinem Wohnhaus und suchte dort sofort die nähere Umgebung ab, jedoch ohne Erfolg. Danach suchte ich sein Wohnhaus auf, welches leider verschlossen war und fragte dort in der Umgebung namentlich nach diesen Mann. bAlle meine Bemühungen an diesem Tage, diesen beinamputierten alten rumänischen Mann zu finden und zu sprechen, blieben leider erfolglos und da es schon am späten Nachmittag war, war es auch für mich Zeit, nach Althütte zu unserem Reisebus zurück zu kehren, um damit nach Czernowitz ins Hotel zu fahren. Doch das persönliche Gespräch mit dem alten beinamputierten rumänischen Mann hatte ich damit auf ein anderes Mal verschoben. Aus dieser damaligen Lage und den Umständen von 1946 heraus, kann angenommen werden, dass bei der Beisetzung meines Vaters damals kein Holzkreuz angebracht wurde und wenn doch, dann ist es schon längst verfault und die Grabstelle eingefallen. Die Natur hat diese Stelle mit der Zeit eingeebnet und wildes Gras und Unkraut darauf wachsen lassen. Denn auch meine Suche auf dem römisch katholischen Friedhof in Czudyn, nach der Grabstelle meines Vaters oder eines dort angebrachten Kreuzes verlief ebenfalls ergebnislos. Da war nichts oder auch nichts mehr zu finden. In unserer dortigen Marktgemeinde Czudyn gab es bis 1940 nur zwei Friedhöfe, einen römisch-katholischen Friedhof für die dortigen Deutschen, die Polen und Slowaken und einen jüdischen Friedhof für alle jüdischen Bewohner aus Czudyn und der gesamten dortigen Umgebung. Die vielen rumänischen Bewohner aus Czudyn hatten ihren orthodoxen Friedhof in Krasna Ilski. So ist heute der gesamte ehemalige deutsche römisch katholische Friedhof in Czudyn verwildert und verwuchert, so dass da kaum noch ein Grab zu finden ist. Nur noch einige aus Metall verrostete und verbogene Kreuze ohne Namensschilder sind hier und da in dieser „Wildnis“ noch zu finden. Es sieht alles sehr trostlos aus und eine Suche nach Gräber von einst verstorbenen Angehörigen ist dort aussichtslos. Nachdem mein Vater „so sang- und klanglos“ und wie ich annehme, dort recht primitiv in die Erde gebracht wurde, (ob Friedhof oder in seinem Garten), ist diese Frau mit ihrer Tochter in das Haus meines Vaters eingezogen und hatte dort alles in Besitz genommen, das Haus mit allen Wirtschaftsgebäuden, Feld und Garten sowie das Viehzeug. Das Haus bei meinem Bruder Adolf hatte sie geräumt, also verlassen und nach und nach als Brennmaterial abgerissen und verbrannt. Doch lange blieb diese rumänische Frau mit ihrer Tochter nicht im Hause meines Vaters wohnen, denn nach einigen Monaten wurden da schon alle Häuser abgerissen und der Panzerübungsplatz errichtet. So musste auch diese rumänische Frau mit ihrer Tochter in diesem Ortsteil, in ein anderes Haus ziehen. Zu diesem großen Wohnhaus meines Vaters, mit massivem Fundament, welches bis Herbst 1940 auch unser Wohnhaus war, möchte ich noch bemerken, dass es 1930 gebaut wurde. Ich wurde am 6. August schon darin geboren und als wir es 1940 verließen, da war das Haus erst 10 Jahre alt und noch sehr gut erhalten. Als Vergleich zur Haltbarkeitsdauer dieser Häuser möchte ich nur bemerken, dass dort in unserer damaligen Gegend heute noch Häuser stehen und bewohnt sind, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg aus Holz gebaut wurden und heute noch gut erhalten sowie bewohnt sind. So wurden nach der Umsiedlung der Deutschen 1940 viele deutsche Häuser durch dortigen Bewohner bezogen und die leer gebliebenen Häuser von den Leuten nach und nach abgetragen, als Baumaterial oder Brennholz verbraucht. Jeder holte sich das, was er brauchte, ohne das sich dort jemand darum kümmert hatte, trotz dem unser zurück gelassenes unbewegliches Hab und Gut im Oktober 1940 sowjetisches Staatseigentum wurde. Als der große Truppenübungsplatz dann dort auf der Hutweide und auch auf unserem ehemaligen deutschen Wohngebiet errichtet wurde, wurden die dortigen rumänischen Bewohner, die da noch wohnten, in andere Häuser umgesetzt und alle dortigen Häuser dem Erdboden gleichgemacht. Damit hörte unser Wohngebiet auf dieser Anhöhe auf, zu existieren. So wurde aus dieser großen Gemeinde-Hutweide und unserem einstigen deutschen Wohngebiet eine „Kraterlandschaft“. Es ist heute dort eine „tote“ Gegend, kaum das da etwas Gras darauf wächst. Kein Mensch oder Haustier ist darauf zu sehen. Am nördlichsten Ende dieser ehemaligen großen Gemeinde-Hutweide, etwa in 3 bis 4 km Entfernung, hatten wir bis zur Umsiedlung auch noch 4 Hektar Ackerland. Heute kann ich mich noch genau an die Lage des Ackerlandes erinnern, welches weiter nördlich ein leichtes Gefälle hatte und an einem Bach angrenzte. Mein Wunsch war es schon bei meiner 2. Reise 1997 und auch 1999 dieses unser ehemaliges Ackerland zu besichtigen. Ich hatte mir auch viele Gedanken gemacht, wie ich diese Besichtigung ermöglichen konnte. Doch dabei gab es gesundheitlich zu viele Probleme für mich und ich hatte dann schweren Herzens davon Abstand genommen. Mit einem PKW dort auch annähernd hinzufahren, war es wegen dem verwühlten Panzer- Übungsgelände gar nicht möglich. Zu Fuß dort hin zu gehen, war zu weit, zu zeitaufwendig und bei diesem aufgewühlten und unebenen Gelände sowie den hohen Temperaturen in der prallen Mittagssonne, für mich auch körperlich zu anstrengend. Dann hatte ich noch im Gedanken eine letzte mögliche Variante. Von der dortigen Kolchose vom Kornischor mir einen Traktor oder gar eine Kettenraupe mit einem ganz bestimmten Fahrer, den ich dort bereits kennen gelernt hatte und auch vertraut hätte, zu mieten und damit diese Besichtigungsfahrt auf unserem Ackerland in der Gegend von „Sachnowitsch“ zu ermöglichen. Doch auch aus Sicherheitsgründen, um nicht unterwegs in dieser Wildnis überfallen sowie ausgeraubt zu werden, hatte ich dann endgültig davon Abstand genommen und mein Vorhaben aufgegeben. Ich hatte als Tourist ja mein ganzes Geld bei mir sowie auch alle Wertgegenstände, denn im Hotel konnte man nichts zurück lassen. Da hätte sich schon ein Überfall gelohnt. Also ließ ich es, schweren Herzens, sein. Am nordwestlichen Ende der ehemaligen Gemeinde-Hutweide etwa 2 bis 3 km entfernt, begann zu unserer Zeit, ein Waldweg nach Augustendorf, etwa 5 bis 6 km lang. Es war ein hoher und dichter alter Buchenwald, der bis heute diesen Weg zugewuchert hat und nicht mehr benutzt werden kann. Vor diesem Wald war ein Hügel, der die höchste Erhebung in diesem Bereich war. Im Jahre 1938 oder 1939 wurde auf dieser Erhebung durch das rumänische Militär ein Erdbunker errichtet, wo damals zwei bis drei rumänische Soldaten bei Tag und Nacht ihren Dienst versahen. Das war ein rumänischer Luftbeobachtungs-Stützpunkt, von wo aus diese rumänischen Soldaten mit einem Fernglas, besonders bei Geräuschen in der Luft diese Luftbeobachtung nach feindlichen Flugzeugen durchführten und per Feldkabeltelefon ihre Meldungen an ihre vorgesetzte Dienststelle durchgaben. Auch mussten sie sich zu bestimmten Zeiten melden, als Kontrolle, dass der Stützpunkt besetzt war. Da wir Kinder damals sehr oft bei den Soldaten waren und dort um diesen Bunker spielten, kann ich mich heute noch an sehr vieles gut erinnern. Als Sichtschutz von oben bzw. Tarnung, war dieser Bunker mit kleinen Bäumen und Sträuchern bepflanzt. Wir Kinder durften den Bunker betreten, uns da auch innen aufhalten und alles besichtigen. Das Interessanteste war damals dort für uns das Telefon, was wir aber nie anfassen durften, sondern nur mithören, wenn Meldungen an die Zentrale durchgegeben wurden. Auch sehr interessant war für uns Kinder das Fernglas, welches wir besichtigen und auch benutzen durften. So durften wir durchs Fernglas durchschauen und den Himmel sowie auch die Gegend anschauen. Durch unseren dortigen Besuch hatten die dortigen rumänischen Soldaten etwas Abwechslung. Es war für sie nicht so langweilig und auch etwas „Zusatzverpflegung“ kam für sie dabei raus. Denn wir Kinder wurden durch diese rumänischen Soldaten immer wieder angehalten, Eier oder Kartoffeln, Maismehl oder Brot oder auch andere Lebensmittel mitzubringen, was wir ab und zu, auch in geringen Mengen mitgebracht hatten, um dort geduldet zu werden. Diese sinnlichen „Bilder“ habe ich heute noch in meinem Gedächtnis bzw. vor mir. Dieser Erdbunker ist in den vielen Jahren eingefallen sowie vollkommen verwachsen und heute nicht mehr betretbar. Über diesen Bunkerhügel ist nie ein Panzer rüber gefahren, um sich darin wohl nicht festzufahren, sonder alle Panzerketten deuten darauf hin, dass ihn die Panzer immer umfahren hatten. So wurde auch hier an diesem ehemaligen rumänischen Luftbeobachtungs- Stützpunkt, nach 59 Jahren, Kindheitserinnerungen wach, die einem Traum gleich kommen. Nach dieser sehr umfassenden Besichtigung dieser Gegend und all der vielen erhaltenen und gesammelten Informationen verließ ich mit meinen Begleitern diesen Berg und gingen in Richtung Westen bis in den Wald hinein, wo da eine altbekannte Großfamilie Kornetzky wohnt, die ich danach noch besucht hatte. Etwas am Waldrand des Gemeindewald, steht ein einzelnes größeres Wohnhaus aus Holz mit einigen anderen Bauten, wie ein Bauerngehöft, in welchem diese Großfamilie Kornetzky wohnt. Hier in diesem Haus wohnten bereits die Großeltern der Kornetzkys, ihre Eltern und viele ihrer Kinder. Die Großeltern und Eltern der Kornetzkys kannten meine Eltern weil diese mit meinen Eltern gut befreundet waren und sich bis 1940 auch gegenseitig besucht hatten. Dieses Gehöft stand bereits dort zu unserer Zeit, bis 1940 und diese Familie in ihrer Nachkommenschaft, wohnt immer noch darin. Daneben wohnte bis 1940 eine deutsche Familie Statz, ein Verwandter meiner Mutter, der dort eine Schmiede hatte. Davon ist dort heute keine Spur zu sehen. Als wir bei der Familie Kornetzky ankamen, waren viele zu Hause, denn es war Sonntag und der Hof war, nach unserer Auskunft, voller Menschen. Die Freude über meinen Besuch war dort sehr groß. Da ich auch schon zum dritten Mal dort war, kannten wir uns schon etwas und die vielen Kinder freuten sich über die vielen von uns erhaltenen Bonbons. Hier hatten wir vieles über unsere Familien zu erzählen, weil wir weitläufig miteinander verwandt sind. Die Tochter meines Bruders Adolfs, die Eugenia, die aus Wama bei Suczawa / Rumänien, mit mir 1999 dort war, war damit hier bei ihrem Onkel zu Besuch. Herr Kornetzky senior ist mit meiner bereits verstorbenen Schwägerin Anna, die die Ehefrau meines verstorbenen Bruders Adolf war, war die Mutter der Eugenia und dadurch miteinander verwandt. Die beiden Frauen waren Schwestern. Dadurch gibt es entfernte verwandtschaftliche Bande. Lange haben wir uns über alles Mögliche unterhalten, doch neue Informationen über die mich interessierenden Fragen gab es nicht. Als ich zum Ausdruck brachte, dass ich gerne unser Feld in Sachnowitsch einmal gesehen hätte, da wollte Herr Kornetzky mit mir „schnell“ zu Fuß dort hin, denn es wäre nicht weit zu laufen. Doch ich war dazu nicht bereit, weil es für mich echt zu weit war. Ihren dortigen Begriff: „es ist nicht weit“ kenne ich schon. Denn 10 oder auch 15 km ist für diese dortigen Menschen nicht weit, die sind das Laufen in diesem Gelände und bei der Hitze gewöhnt, ich jedoch nicht. Wenn man hier die Ukrainer fragt, wie weit ist es?, dann antworten sie nie in Kilometern, sondern in Wanderstunden. Kein Wunder, denn auch in dieser Gegend, auch nicht in Czudyn, habe ich ein Ortsschild, einen Wegweiser bzw. ein Hinweisschild mit oder auch ohne Kilometerangabe gesehen. Deswegen kam immer auf meine Frage: wieviel Km sind es nach?, auch von den Kraftfahrern eine zeitliche Antwort und nicht die Anzahl der km. Also z.B. zu Fuß = 2 Stunden, mit dem Pferdefuhrwerk = 1 Stunde oder mit dem Auto etwa eine halbe Stunde. So lauten die meisten Antworten. Inzwischen hatten dort die Hausfrauen beider uns bekannten und verwandten Familie Kornetzky für uns 4 Personen ein reichliches und schmackhaftes nationales Mittagessen zubereitet und uns zu Tisch gebeten. Da es schon am späten Nachmittag war und wir noch nichts zu Mittag gegessen hatten, haben wir die Gelegenheit wahrgenommen und uns dort reichlich satt gegessen. Mit einer angemessenen „Aufmerksamkeit“ und vielen „Dankeschön“ für die nette, freundliche und auch reichliche Bewirtung mussten wir uns verabschieden und unsere Rundreise programmgemäß mit unserem PKW weiter fortsetzen. Danach sind wir nach Neuhütte gefahren, um auch dieses uralte deutsche Dorf zu besichtigen und das Haus Nr. 113 zu suchen. In den Originalkirchenbüchern von Althütte – bei Kindtaufen, Trauungen und auch Sterbefälle – die ich bereits in Deutschland mehrmals eingesehen und durchsucht habe, fand ich viele Staats (der Geburtsname meiner verstorbenen Mutter) unter Neuhütte Haus Nr. 113, die unserem Familienstamm angehört hatten. Nun war ich in Neuhütte und wollte wenigstens das Haus Nr. 113 sehen. Das war aber nicht möglich, weil dort in Neuhütte nur 36 Häuser standen und demzufolge es nur bis Haus-Nr. 36 ging und somit war hier meine Nachforschung am Ende. Unterhaltungen mit ganz alten Leuten aus Neuhütte über dieses Thema ergaben, dass Neuhütte schon immer zur Gemeinde Czudyn gehörte und die Hausnummerierungen auch in Neuhütte, öfters geändert wurden. Nach der Umsiedlung der Deutschen im Herbst 1940 aus Neuhütte wohnten hier nur noch einige Familien. Sie waren dort einsam und verlassen. Doch mit der Zeit zogen einige Familien aus den Nachbarorten dazu und der Geburtenzuwachs brachte Neuhütte wieder auf etwa über 30 Familien. Danach wurden die Häuser wieder neu nummeriert, zählen heute von 1 bis 36 und gehören nach wie vor zur Gemeinde Czudyn. Hier in Neuhütte trafen wir zufällig unseren Reisebus, der mit einigen Mitreisenden unserer Reisegruppe, aus Althütte hier her gefahren war, um hier in Neuhütte auch eine Ortsbesichtigung durch zu führten. Als ich meine Ortsbesichtigung und Nachforschungen auch in Neuhütte abgeschlossen hatte, bestiegen wir drei Personen, (die Eugenia aus Wama, Kreis Suczawa aus Rumänien = Tochter meines Bruders, ihre Tochter Evelyn und ich) unseren Reisebus. Dadurch konnte ich meinen Kraftfahrer mit PKW und Reisebegleiter vorzeitig entlassen, der nun nach Krasna nach Hause fahren konnte. Wir fuhren dann mit unserem Reisebus über Czudyn nach Althütte, nahmen dort unsere Landsleute mit und fuhren ab Althütte nach Czernowitz ins Hotel, wo wir gegen 19,00 Uhr dort angekommen waren. Da es um 20.00 Uhr im Hotel Abendessen gab, hatte ich noch 1 Stunde Zeit, einiges mit meinem Rumänienbesuch zu regeln. Ich nahm mir dort im Hotel einen Gepäckträger, fuhr mit diesem in die 11. Etage in mein Zimmer und holte die Koffer und Sachen runter, die ich schon zu Hause perfekt eingepackt und verschnürt hatte, um es meiner rumänischen Verwandtschaft zu schenken. In der Hotelhalle nahm ich mir dann dort einen wartenden, bereits mir bekannten Privattaxifahrer, lud das Gepäck und meine Verwandtschaft ein und brachte sie mit den ganzen Sachen in ihr Privatquartier in Czernowitz. Danach fuhr ich wieder mit diesem Taxi ins Hotel zurück. Ich bat meine Verwandten um 21.00 Uhr wieder bei mir im Hotel zu sein. Nach dem Abendessen ging ich mit meinen Verwandten auf mein Zimmer und habe dort noch alle weiteren familiären Fragen durchgesprochen. Danach hatte ich beide Frauen noch etwas Geld in Dollar und D-Mark gegeben, sie gegen 23.00 Uhr verabschiedet und noch bis aus dem Hotel begleitet, mit den Worten: „Einen schönen Gruß an unsere gesamte Verwandtschaft, an alle Kosiul in Rumänien, bleibt alle gesund, ich war das letzte Mal hier und wir werden uns nie wieder sehen!“ Dieser Abschied war sehr traurig sowie auch geradeaus zu hart, aber wahr. Denn ich hatte nicht mehr die Absicht in die Bukowina zu reisen, weil mich die Strapazen der Reise gesundheitlich schon überfordert hatten. Es war zu weit und zu anstrengend für mich. Damit ging an diesem Sonntag, dem 2. Aufenthaltstag in der Bukowina ein schwerer und erlebnisreicher sowie sehr informativer Tag zu Ende. Mein Rumänienbesuch, die Eugenia und Evelyn fuhren am Montag früh ab Czernowitz mit dem Linienomnibus nach Suczawa in die rumänische Südbukowina und damit nach Wama nach Hause. Am Montag, dem 26. Juli 1999 war unser 3. Aufenthaltstag in der Nordbukowina. An diesem Tage hatte ich nur Nachforschungen in Kirchen und Behörden auf dem Programm. Dazu bestellte ich mir meinen Kraftfahrer und Reisebegleiter aus Krasna mit dem Auto zu 9.00 Uhr nach Czernowitz zum Hotel. Gegen 9.00 Uhr war er bereits vor dem Hotel und wartete schon auf mich. Also ein sehr zuverlässiger Mann. Wir fuhren zunächst in unsere ehemalige Kreisstadt Storozynetz zur Stadtverwaltung um dort nachzuforschen, was die da an alten Unterlagen von vor 1940 haben. Die Angestellten der Stadtverwaltung von Storozynetz schickten uns ins Stadtarchiv. Wir sind danach gleich ins Stadtarchiv gefahren und haben dort festgestellt, dass das Stadtarchiv montags geschlossen hat. Deswegen ermittelten wir in der Stadt Storozynetz erst den Namen und die Wohnanschrift der verantwortlichen Frau des Stadtarchivs und suchten sie dann zu Hause auf. Wir trugen dieser Frau mein Anliegen vor, mit der Bitte, ausnahmsweise heute am Montag danach in ihren Archivbestand danach zu suchen und wenn sie etwas für mich brauchbares finden sollte, dann wird sie von mir angemessen mit Geld in Deutsche Mark honoriert. Diese Frau war – bei meinem Honorarversprechen- sofort bereit, in ihrer Freizeit diese Überprüfung in ihrem Archiv vorzunehmen, doch dafür benötigte sie einige Stunden Zeit. So vereinbarten wir mit ihr, gegen 17.00 Uhr wieder zu kommen, um dann zu erfahren, ob und was sie, von dem was ich suche, im Bestand ihres Archivs gefunden hat. Bei positivem Ergebnis hätte ich am nächsten Tag mir selber die gesuchten Kirchenbücher noch durchgeschaut. Nach dieser erreichten Vereinbarung mit der Frau des Stadtarchivs zu 17.00 Uhr, fuhren wir dann nach Czudyn zur dortigen ehemaligen römisch-katholischen Kirche, der heutigen Tischlerei. Hier in Czudyn angekommen stellten wir fest, dass dort alles offen war und in der darin befindlichen Tischlerei gearbeitet wurde. Wir betraten die Tischlerei, suchten den Eigentümer und brachten mein Anliegen vor, dieses Objekt = die ehemalige deutsche katholische Kirche, seine jetzige Tischlerei besichtigen zu wollen. Bereitwillig erhielten wir dazu die Erlaubnis und noch viele Informationen dazu. Der Besitzer dieser Tischlerei, ein älterer gebürtiger Czudyner und ehemaliger Rumäne kannte diese deutsche römisch-katholische Kirche persönlich nicht, die 1934/1935 massiv mit Kirchturm erbaut wurde. Denn er wurde erst nach dem 2. Weltkrieg geboren. Doch aus Erzählungen älterer Leute heraus wusste er, dass das einst eine deutsche römisch-katholische Kirche war. Nach unserer Umsiedlung nach Deutschland 1940 wurde diese deutsche römisch-katholische Kirche, Anfang 1941 zu einer staatlichen Tischlerei mit einem kleinen Sägegatter und in der Außenanlage ein Holz- und Bretterlagerplatz, umfunktioniert. Dabei wurde der Kirchturm abgetragen, um optisch das Kirchenformat bzw. den Kirchencharakter dieses Gebäudes zu verändern und das gesamte Kirchengelände wurde durch einen hohen Bretterzaun eingefriedet. Dieser jetzige Besitzer hatte dort als Tischlerlehrling seinen Beruf erlernt und danach bis in die Neuzeit als Tischler gearbeitet. Vor einigen Jahren erhielt er von der Gemeinde das Gebäude und Gelände dieser Tischlerei zur Nutzung. Die Maschinen, das Handwerkzeug sowie das gesamte dortige Holzmaterial musste er von der Gemeinde kaufen und es in Raten abzahlen. Diese Tischlerei hat zwei Etagen, die auch in Nutzung sind und das Gelände ist durch einen sehr alten hohen Bretterzaun eingezäunt. Das gesamte Gebäude der ehemaligen deutschen römisch-katholischen Kirche befindet sich in einem sehr maroden und ramponierten Zustand. Es ist nicht nur schlecht, sondern es hat schon viele beschädigte Stellen, die auf einen Verfall hindeuteten. Für eine Werterhaltung und der Stabilität dieses Gebäudes ist leider kein Geld vorhanden. Deswegen bleibt es so wie es ist, bis es eines Tages verfallen wird. Der Holzlagerplatz auf dem Gelände ist ein völliges Durcheinander. Dort wurde weder geordnet, noch ordentlich gestapelt, alles liegt dort kreuz und quer durcheinander, ob Holzbalken oder auch Bretter. Ich bedankte mich beim Besitzer dieser Tischlerei für die Erlaubnis der Besichtigung sowie der erhaltenen Informationen und verließ den Ort mit hängendem Kopf. Denn in dieser Kirche war ich als Kind sehr oft mit meiner Mutter, besonders zu den Feiertagen, zum Gottesdienst. An der Außenwand der Kirche hatte ich an einem Abend zum ersten Mal in meinem Leben 1938 oder 1939 einen Stummfilm über die Geschichte „Jesus Christus“ gesehen, worauf ich mich heute noch an einige Details erinnern kann. So manches hatte mich mit dieser Kirche bereits als Kind verbunden. Es war auch ein kleines Stück meines Lebens. Daher so meine Bindung und das Interesse an dieses Gebäude auch sehr groß. Danach gingen wir, nur kurz über die Straße unweit der Kirche, zum ehemaligen deutschen katholischen Friedhof, den ich jetzt auch schon zum 3. Mal besichtigt hatte. Nach wie vor ist dieser Friedhof von hohem Unkraut und Büschen verwachsen und verwuchert. Ich hatte erneut alles nach den Spuren des Grabes meines Vaters abgesucht, doch wieder, wie bereits erwartet, vergebens. Einige Metallkreuze mit Namensschilder und die meisten ohne Namensschilder sind vollkommen verrostet bzw. durch Menschenkraft teils verbogen. Doch die Namen darauf, wenn welche da waren, konnte man absolut nicht mehr lesen bzw. entziffern. So bleibt dort alles anonym. Alleine die verwitterte Eingangspforte zum katholischen Friedhof, die nur noch am obersten Bandeisen und Haken hängt, zeigt bereits jedem Ankommenden den dortigen Zustand. Eine Neuentdeckung konnte ich dieses Mal machen, was 1997 noch nicht vorhanden war. Ein ganz neues Grab hatte ich da vorgefunden, ordentlich frisch leicht angehügelt und mit einem einfachen Kreuz, ohne Namen und Daten, versehen. Einige wenige Blumen waren darauf gepflanzt, jedoch bereits leicht von frischgewachsenen Unkraut überwachsen. So werden dort auch heute noch die Toten „geehrt“. Sie werden begraben und damit ist für die Angehörigen der Fall erledigt, bis der nächste dran ist. Da dieser Friedhof ein römisch-katholischer Friedhof war und ist, muss es sich hierbei, bei dieser frischen Bestattung um einen dort lebenden katholischen Polen gehandelt haben. Kein Wunder, dass dieser römisch-katholischer Friedhof in Czudyn so verkommen aussieht, denn Katholiken gibt es da in Czudyn nur sehr wenige, die da was machen könnten und die Gemeinde hat dafür weder Geld noch ein Interesse daran, als orthodoxisch Gläubige einen katholischen Friedhof in Ordnung zu halten. So verließ ich diesen Friedhof, in der schwachen Annahme, dass dort mein Vater beerdigt wurde, auch mit recht traurigen Gedanken. Nun bin ich auch schon zum 3. Mal in Czudyn zum Denkmal der ermordeten Juden vom 05. Juli 1941 gefahren, um es letztmalig zu besichtigen. Es steht, wie in den Jahren 1996 und 1997 bereits beschrieben, auf dem ehemaligen rumänischen Gerichtshof in Czudyn. Da es aus Metall und Beton ist, sieht es immer noch gut aus und drum herum ist auch alles sauber. Auch keine Spuren der Beschädigung oder Verwüstung. Doch dieses Denkmal steht jetzt dort einsam und verlassen, ohne dass es gepflegt und zum Gedenken an diese ermordeten Juden genutzt wird. Dafür hat dort niemand etwas übrig, weder die dortige Bevölkerung, noch die Kommune. In Czudyn gibt es keine Juden, die sich dieser Sache annehmen könnten und in Krasna lebt nur noch ein alter Jude, der 1946 dort hinzugezogen ist. Der hat gesundheitlich weder die Kraft noch finanziell die Möglichkeit sich da zu engagieren. So wird auch diese Geschichte eines Tages vergessen sein und das Denkmal verkommen bis es abgerissen wird. Danach suchte ich die Gemeindeverwaltung von Czudyn auf. Czudyn heißt heute auf ukrainisch „Miejiritzia“ und wird heute von Czernowitz aus geführt, als Oblast (Gebiet) Czernowitz. In der Gemeindeverwaltung trafen wir zwei freundliche Damen an. Mein Reisebegleiter kannte flüchtig beide Damen und mit ihm als ukrainischen Dolmetscher gab es auch keine Verständigungs- Schwierigkeiten. Als wir dort unser Anliegen vorbrachten und ich als alter ehemaliger Czudyner vorgestellt wurde, da waren beide Damen sehr neugierig und hatten so viele Fragen an mich, das wir durch diese Unterhaltung auch viel Zeit –freundlicherweise- vertan hatten. Doch dabei musste ich auch feststellen, dass diese Verwaltungsangestellten uns Ausländern gegenüber im Allgemeinen sehr freundlich sind. Jedoch ihre eigenen Leute sehr kurz und scharf abfertigen bzw. diese auch des Büroraumes verwiesen werden. Als wir da in der Gemeindeverwaltung unser Gespräch führten, da betrat freundlich, zurückhaltend und schüchtern eine ältere Frau das Büro, mit einer Frage bzw. einem Anliegen. Die dortige Angestellte ließ sie gar nicht erst zu Worte kommen und verwies sie des Raumes, mit der Bemerkung, in etwa: „Sie sehen, ich bin besetzt und habe zu tun! Warten sie draußen oder kommen später nochmals wieder!“ Diese Äußerung und Aufforderung erfolgte in einem recht barschen und lauten Ton. Da ich diese Strenge und Unfreundlichkeit schon öfters in der Ukraine erlebt hatte, befragte ich meinen Reisebegleiter, ob das hier so üblich ist und es hier so normal sei. Er sagte mir dazu nur ein „ja“. Die Angestellten treten hier als die „Großen und Bestimmenden“ auf und die Bewohner werden hier wie „rechtlose Untertanen“ behandelt. Daher sind hier, besonders die Frauen, so eingeschüchtert und zurückhaltend. Dadurch üben die Staatsangestellten, aber auch die in der Wirtschaft, die was zu sagen haben, eine bestimmende Unterdrückungsfunktion gegenüber ihren Mitmenschen aus. Mich hatte diese Szene gegenüber der alten Frau so berührt und für die alte Frau Mitleid erweckt. Doch ich konnte mich als Ausländer da nicht einmischen, zumal ich noch ein Anliegen hat und auf die Hilfe dieser Angestellten angewiesen war. Wir hatten die dortige Angestellte nach Archivunterlagen aus früheren Jahren gefragt. Dazu erklärte sie uns, dass die alten Unterlagen der Gemeindeverwaltung von Czudyn, aus der Zeit bis 1944 in Czernowitz im Staatlichen Archiv lagern und ab 1944 sie hier in Czudyn einiges archiviert, aber auch vieles bereits vernichtet haben. Als ich ihr „als Anzahlung“ bereits etwas Geld in Deutsche Mark gegeben hatte, erklärte sie sich bereit, auf unsere ausdrückliche Bitte hin, im Laufe des Tages in den Archivunterlagen für mich einiges raus zu suchen, falls da etwas vorhanden sein sollte. Da wir auch weiter mussten, vereinbarten wir eine Zeit zwischen 16.00 und 16.30 Uhr wieder zu kommen. In der Hoffnung, dass diese ukrainische Angestellte der Gemeindeverwaltung Czudyn etwas über das Ableben meines Vaters finden könnte, verließen wir die Gemeindeverwaltung in Czudyn und fuhren nach Krasna zu den alten und dort einsam lebenden Juden. Da dieser alte Jude perfekt deutsch lesen und schreiben konnte, wollte ich einige Informationen bei ihm abschöpfen. Als wir in Krasna ankamen, trafen wir zufällig diesen Juden auf der Straße. Wir hielten an, stiegen aus und sprachen mit ihm. Mein Reisebegleiter kannte ihn gut und hatte auch zu ihm ein gutes Verhältnis. Ich stellte mich vor und erklärte ihm, dass ich hier so einige Nachforschungen aus der alten Zeit betreibe und deswegen hätte ich mich mit ihm gerne gleich etwas unterhalten. Er sagte zu, wir nahmen ihn ins Auto und fuhren mit ihm in die Wohnung meines Reisebegleiters. So hatte ich jetzt die Möglichkeit mich mit diesem Juden, laut meinem Nachforschungsprogramm zu unterhalten und habe dabei folgendes erfahren: Zunächst zu seiner Person: Dieser Jude heißt mit dem Vorname Cecile Maximowicz und mit seinem Familienname Deutsch und wurde in der Sowjetunion „Mischa“ genannt. Er wohnte in Krasna und war allein stehend. Mischa wurde 1921 in Radautz in der Südbukowina geboren. Sein Vater war bis 1918 Offizier bei der österreichischen Armee, danach Unteroffizier beim rumänischen Militär. Mischa hatte bis 1940 in Radautz in einer Bürstenfabrik als Angestellter gearbeitet. Es kam dann die Zeit, wo er als Jude in Radautz besonders 1940, durch die Rumänen geschlagen und verfolgt wurde. Um dieser rumänischen Unterdrückung zu entgehen, floh er im Spätsommer 1940 mit seinem Pferdewagen von Radautz nach Czernowitz zu den Russen. Im Juni 1941 ist er bei Kriegsbeginn von Czernowitz wieder mit einem Pferdewagen mit der Sowjetarmee von Czernowitz aus, in die Ukraine bis in den Raum Charkow geflüchtet und wurde dort zunächst wohnhaft. Im Jahre 1943 wurde Mischa dann zur Sowjetarmee einberufen, wurde hinter der Front als Deutsch-Dolmetscher eingesetzt, hatte den Dienstgrad Starschisergeant (Obergefreiter) und kam dadurch 1945 bis nach Berlin. Von 1945 bis 1946 war der Jude Mischa in Potsdam auf der sowjetischen Kommandantur als Dolmetscher tätig. Im Jahre 1946 wurde Mischa dann aus der Sowjetarmee entlassen und ging nach Czernowitz, wo er als Tischler gearbeitet hatte. Nach nur kurzem Aufenthalt in Czernowitz zog er noch 1946 nach Krasna um und hatte dort in der Sperrholzfabrik, zuerst als Meister und dann später als Kassierer eine Anstellung erhalten. So lebte der Jude Mischa seit 1946 in Krasna als Alleinstehender, ohne Ehefrau oder Lebenspartnerin und auch ohne Glaubensbrüder, einsam und verlassen, recht zurückgezogen und reserviert, weil viele dortige Bewohner mit ihm als Juden nicht zu tun haben wollten. Diese antisemitische Haltung mancher Ukrainer und Rumänen hatte sich in den letzten Jahren in seiner dortigen Umgebung noch gesteigert. Dadurch fühlte er sich auch bedroht und unsicher, in seiner Unterkunft sowie auch auf der Straße. Daher verließ er nur sehr selten und auch nur bei Notwendigkeit seine Unterkunft, aus ständiger Angst dort überfallen und verprügelt zu werden. Deswegen hat er auch die Absicht, in nächster Zeit –wie er das notwendige Reisegeld zusammen hat- die Ukraine zu verlassen zu nach Israel auszuwandern. Im weiteren Gespräch führte der Jude Sascha darüber Klage, dass sich niemand um das Ehrendenkmal für die ermordeten Juden in Czudyn sowie auch um den einstigen jüdischen Friedhof in Czudyn kümmert. Dieser jüdische Friedhof in Czudyn ist nicht nur verkommen und durch die Natur verwildert sondern viele Grabsteine wurden durch Menschen, in neuester Zeit umgestoßen sowie so manches beschädigt und keine Administration kümmert sich darum. Er hatte bereits 1995 und 1996 deswegen nach Israel geschrieben, die Lage hier geschildert und um Unterstützung gebeten, doch nicht einmal eine Rückantwort hatte er darauf aus Israel erhalten. Mischa hat einen Bruder in Israel, den er es auch geschrieben und oft telefonisch mit ihm auch darüber gesprochen hatte. Auch sein Bruder versprach dort bestimmte Hilfsstellen anzusprechen und eine Unterstützung zu erwirken, doch bis heute hatte sich noch nichts getan. Danach fuhren wir Mischa nach Krasna nach Hause und wir fuhren laut meinem Programm nach Althütte weiter. Der Jude Mischa ist im Jahre 2000 dann nach Israel ausgewandert und danach gab es dort in dieser Gegend keine Juden mehr. In Althütte habe ich die Haus-Nr. 120 gesucht und leider nicht gefunden. In den alten Kirchenbüchern von Althütte – Taufen – hatte ich einige Statz oder aus Staats geschrieben, gefunden, die in Haus Nr. 120 geboren wurden und auch darin gewohnt hatten. Nun wollte ich mir dieses Haus einmal etwas näher ansehen und dort vor Ort noch etwas erforschen. Doch auch mit Hilfe hiesiger Einwohner war es mir nicht gelungen, das Haus Nr. 120 zu finden. Die Leute erzählten mir, dass die Haus Nummern sehr oft geändert wurden und als Althütte zu Krasna gehörte, da gingen die Haus- Nummern von Krasna mit Nr. 1 beginnend durchgehend nach Althütte weiter. Da also auch mit Hilfe von dortigen Bewohnern dieses Haus Nr. 120 nicht zu finden war, hatte ich es aufgegeben. Danach sind wir, mein Kraftfahrer sowie Reisebegleiter und ich, in Althütte zum ehemaligen alten katholischen Kirchendiener nach Hause gefahren, um da von ihm noch einiges über die Kirchenbücher von Althütte zu erfahren. Zum dortigen polnischen katholischen Ortspfarrer wollte ich nicht hin gehen, um auch da nach den Kirchenbüchern zu forschen, weil mir bekannt war, dass er nicht gerade deutschfreundlich gesinnt ist. Wenn unsere Reisegruppe in Althütte war und dort die Kirche sowie am Sonntag den Gottesdienst besuchte, da hatte er sich „aus den Staub“ gemacht und ein Pfarrer für den Gottesdienst in Althütte von außerhalb kommen lassen, der da die Messe gehalten hatte. Er wollte mit uns Deutschen nichts zu tun haben. Aber die Deutsche Mark im „Opferbeutel“, die unsere deutschen Kirchenbesucher dort rein getan haben, die hat er genommen, die war ihm willkommen, wir aber nicht. Im Jahre 1995 wollte unsere Reisegruppe, aus Querfurt-Eisleben-Sittichenbach das Ehrenkreuz mit der Gedenktafel für die gefallenen Deutschen aus Althütte im Zweiten Weltkrieg in der ehemaligen deutschen jetzt polnischen katholischen Kirche in Althütte aufstellen. Dieses Anliegen und Vorhaben der ehemaligen deutschen Althütter hatte dieser polnische Ortspfarrer kurzerhand abgelehnt, so dass es danach anderweitig im Dorf aufgestellt werden musste. Doch auch dieser neue Standort der deutschen Gedenktafel soll diesem polnischen Pfarrer nicht passen. Aus all diesen Gründen hatte ich mich entschlossen diesen polnischen katholischen Ortspfarrer nicht aufzusuchen. So hatte ich lieber den Weg zum dortigen ehemaligen alten Kirchendiener unternommen, auch in der Hoffnung, dass dieser alte und ortskundige Kirchendiener mehr darüber wissen könnte, als der Pfarrer selber. Der alte ehemalige Kirchendiener von Althütte konnte noch gut deutschböhmisch sprechen, so dass die sprachliche Verständigung auch gut gegeben war. Wir sind dort hingefahren und wurden von dieser deutsch freundlichen Familie auch gut aufgenommen. Sie pflegen auch das deutsche Althütter Ehrenkreuz und halten diese deutsche Gedenkstätte sauber. Zu meinem Anliegen erklärte mir der alte ehemalige Kirchendiener folgendes: Er kennt alle Winkel und Ecken in der Kirche und dem Pfarrhaus, auf Grund seiner dortigen jahrelangen Tätigkeit, viel besser als alle bisherigen Ortspfarrer. Aus der alten Zeit sind in der Kirche von Althütte keinerlei Kirchenunterlagen vorhanden. Wo diese Kirchenbücher abgeblieben sind, wusste er nicht. Nachdem wir diese Auskunft so exakt erhalten hatten, sind wir dann weiter gefahren.
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