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Der Besuch und die Besichtigung meines Geburtsortes Czudyn
Am Sonntag, dem 02. Juni 1996 –an meinem 3. Aufenthaltstag in der Nordbukowina- war nun endlich mein eigentliches Reiseziel =
mein Geburtsort Czudyn und sein Ortsteil Kornischor an der Reihe. Czudyn war mein Geburtsort, der Wohnort unserer Familie bis
Oktober 1940 und unser damaliges kleine Bauerngehöft sowie der Wohnort meines Vaters, bis zu seinem dortigen Tode 1946, der ja
nicht an unserer Umsiedlung 1940 in das damalige Deutsche Reich teilgenommen hatte. Das alles wollte ich jetzt -nach 56 Jahren-
wieder sehen. Dazu bestellte ich mir bereits am Samstag für diesen Sonntag Herrn Kljuch, einen aus Czudyn ortskundigen und
deutsch sprechenden Kraftfahrer mit Auto, der damals als Schuldirektor in Althütte und dort auch als privater Deutschlehrer tätig
war. Herr Kljuch war an diesem Sonntag bereit, mich mit seinem Pkw in dieser Gegend rum zu fahren, mich zu begleiten und mir dort
alles zu zeigen sowie zu erläutern. Als ich am Samstagabend auf meinem Zimmer in unserem Hotel in Czernowitz all diese
Reisevorbereitungen für Sonntag getroffen hatte, da begann meine innere Unruhe und Aufregung.
Ich hatte diese Nacht zu Sonntag nur sehr wenig und schlecht geschlafen. Ich griff wiederholt zu Beruhigungstabletten, um meine
Nerven zu beruhigen sowie mein schwaches Herz und den gestörten Kreislauf zu beschwichtigen. Doch die nervliche Anspannung
und Aufregung war nicht zu bändigen. Meine Vorstellungen und Phantasiebilder über unseren damaligen Wohnort Czudyn
wechselten laufend in mir und ich wurde diese Gedanken in dieser Nacht bis zum Aufstehen nicht mehr los. Doch als ich am
Sonntagvormittag in Czudyn ankam, da war diese Phantasie zu Ende.
Als wir am Sonntagvormittag –mit unserem Reisebus- aus Czernowitz kamen und wieder nach Althütte fuhren, da fuhren wir auch
immer durch den Ort Czudyn.
Hier in Czudyn stieg ich aus unserem Reisebus aus und verblieb diesen Tag dort, während unser Reisebus nach Althütte weiter fuhr.
Mein bestellter Kraftfahrer und Reisebegleiter stand mit seinem alten Schwiegervater und seinem Pkw-Lada bereits in Czudyn an der
Kreuzung und wartete auf mich. Ich stieg in das Auto ein und wir fuhren los um an diesem Tage vieles zu besichtigen.
Da dieser bestellte Kraftfahrer mit etwas 40 Jahre, für meine Nachforschungen relativ jung war und daher unsere alte Zeit nicht
miterlebt hatte, arrangierte ich mir noch seinen Schwiegervater, einen alten ortskundigen Czudyner, damals etwa über 80 Jahre alt,
als mein zusätzlicher Reisebegleiter. Dieser alte Mann hatte die alte wie auch neue Zeit in Czudyn selber erlebt und konnte mir -in
rumänischer Sprache- darüber sehr vieles berichten.
Zunächst waren wir den ganzen Ort Czudyn kreuz und quer mit all seinen Straßen abgefahren und habe mir dabei alles angeschaut,
erklären lassen und einiges auch fotografiert. Dabei hatten mir meine beiden Reisebegleiter, Kraftfahrer und Schwiegervater, vieles
über die Vergangenheit und Gegenwart von Czudyn erzählt. Czudyn war zu dieser Zeit -im Jahre 1996- eine selbständige politische
Gemeinde mit etwa 4. 000 Einwohnern, die Ukrainer und auch Rumänen waren.
Bis 1940 war Czudyn das politisch-administrative und wirtschaftliche Zentrum dieser Umgebung.
Hier gab es eine Bank, mehrere Geschäfte und Wirtshäuser, ein Amtsgericht mit Richter, Staatsanwälte und Advokaten, eine
Polizeistation, Ärzte, Apotheker und auch einen Sackbahnhof. Czudyn hatte damals drei große massiv gebaute Kirchen, eine römisch
katholische deutsche Kirche, eine griechisch orthodoxe rumänische Kirche und einen jüdischen Tempel.
Die griechisch orthodoxe Kirche ist ein recht großes Gebäude und noch heute gut erhalten sowie von außen auch attraktiv
aussehend. Sie wird von den Ukrainern und Rumänen genutzt. Die ehemalige deutsche römisch-katholische Kirche, ebenfalls ein
massives Gebäude mit Kirchturm, war kleiner und bescheidener. Nach unserer Umsiedlung –1940- wurde der Turm dieser deutschen
Kirche abgerissen und die Kirche zu einer staatlichen Tischlerei der dortigen Kolchose umfunktioniert, die heute noch als eine private
Tischlerei im Betrieb ist. Der jüdische Tempel wurde Anfang Juli 1941 durch Brandlegung vernichtet.
Czudyn hatte auch einen größeren Marktplatz, wo die Menschen der umliegenden Dörfer zum Markt kamen und hier ihre Produkte
verkauften oder notwendige Waren für ihre Familien bzw. für Haus und Hof eingekauft hatten. Die Juden beherrschten damals in
Czudyn, wie auch in den Städten und anderen größeren Orten unserer Gegend, überwiegend den Handel aller Art.
Der nächste Markt war erst in der Kreisstadt Storozynetz, 16 km von Czudyn entfernt.
Viele unserer Leute sind damals auch aus Czudyn nach Storozynetz zum Markt gegangen oder gefahren, weil dieser Markt größer
und auch mehr im Angebot bzw. die Chancen des Absatzes bestimmter Waren größer sowie günstiger war.
Die Marktgemeinde Czudyn hatte 1939 bei der Volkszählung 3.741 Einwohner, davon 597 Deutsche = 16 % und etwa 20 % Juden.
Überwiegend lebten dort Rumänen und Ukrainer. Bei der Umsiedlung 1940 schätzte man in Czudyn über 4000 Einwohner und davon
über 600 Deutsche. Aus Czudyn und einigen angrenzenden kleinerer Ortschaften sind 1940 insgesamt 792 deutschstämmige
Umsiedler nach Deutschland ausgewandert.
Vom Czudyner Bahnhof sind unter der Ortsbezeichnung „Bu 10“ = Czudyn zwei Sonderzüge nach Deutschland abgefahren.
Der erste Sonderzug fuhr am 07.Oktober 1940 um 12.00 Uhr mit 976 Personen (in dem auch unsere Familie Kosiul abgereist war)
und der zweite Sonderzug fuhr am 29.Oktober 1940 um 22.00 Uhr mit 1085 Personen ebenfalls ab Bahnhof Czudyn.
In diesen zwei Sonderzügen waren die Umsiedler aus Czudyn, aus Neuhütte, Petrowitz, Kupka und Budenitz zusammengefasst.
Von Czudyner Bahnhof sind auch die drei Sonderzüge unter der Ortsbezeichnung „Bu 9“ = Althütte, mit den Umsiedlern aus Althütte
und Krasna sowie zwei Sonderzügen unter der Ortsbezeichnung „Bu 11“ = Augustendorf, mit den Umsiedlern aus Augustendorf und
Banilla ins Deutsche Reich abgefahren.
Czudyn hatte damals den einzigen Bahnhof in unserer Umgebung, der nicht nur für die Umsiedlung von so großer Bedeutung war,
sondern bis 1940 auch für den Personen- und Gütertransport und damit auch für den Handel.
Heute hat Czudyn nicht mehr diese Bedeutung wie 1940. Es ist heute ein einsamer ruhiger Ort geworden. Politisch-administrativ ist
dort in Czudyn heute nichts mehr los. Wirtschaftlich bewegt sich dort auch nichts mehr. Es gibt heute dort keinen Markthandel und
auch keine Geschäfte oder Wirtshäuser. In einem Magazin werden dort einige Waren angeboten. Die überwiegende Mehrheit der
Menschen sind dort sehr arm, arbeitslos, haben weder Geld sich was zu kaufen, noch Waren zu verkaufen.
Czudyn ist heute nicht mehr das politische und wirtschaftliche Zentrum der Umgebung. Vieles wurde abgebaut, beseitigt, verlegt und
hat dadurch an Bedeutung verloren. Das Amtsgericht wurde schon vor vielen Jahren aus Czudyn in die Stadt nach Storozynetz
verlegt, dadurch auch die Arbeit der Richter, der Staatsanwälte und Advokaten. Die meisten Geschäfte und Wirtshäuser sind
eingegangen, das Markttreiben ist schon lange Geschichte und der einzige Bahnhof dieser Umgebung ist ein Denkmal geworden.
Denn die meisten Bewohner haben weder Geld für die Bahnfahrt in die Stadt Storozynetz, noch haben sie Geld um dort einzukaufen.
So leben die meisten Bewohner dort von ihrer Haus- und Feldwirtschaft. Einige die irgendwo noch eine Arbeit haben, warten oft 5 bis
6 Monate und noch länger auf ihren verdienten Lohn, der oft nicht gezahlt werden kann, weil der jeweilige Betrieb kein Geld hat.
Dadurch ist dort die Kaufkraft auch sehr schwach. Es gibt dort aber auch einige „Neureiche“, die sich sogar neue massive große
Häuser bauen, mit viel Geld und Material aus Deutschland. Unter solchen „Bauherren“ gibt es auch „Arbeitslose“, die sich das leisten
können. Wie und woher sie das Geld haben, bleibt ein Geheimnis. Der Unterschied zwischen „arm“ und „reich“ ist dort gravierend
groß. Das Einzige was in Czudyn unverändert geblieben ist, ist die Kreuzung in der Mitte des Ortes, als Straßenverkehrsknotenpunkt
in allen vier Himmelsrichtungen, nur in einer schlechten Qualität.
Die Gemeinde Czudyn hat einen Ortsteil Kornischor, der nahtlos an den großen Ort Czudyn angrenzt und sich an der Straße nach
Westen in Richtung Neuhütte, etwa 3 km lang erstreckt. Unsere Familie wohnte in diesem Ortsteil „Kornischor“, etwa 3 km vom
Stadtzentrum entfernt. In diesem Ortsteil Kornischor existierte 1996 noch, wie auch in anderen Ortschaften, eine Kolchose, in
verkleinerter Form, die jedoch sehr herunter gewirtschaftet und verwahrlost aussieht.
Im Jahre 1991 wurde die dortige Kolchose im Kornischor verkleinert und wird mit nur wenigen Landarbeitern betrieben.
Auch diese Menschen hier in Czudyn und in ihrem Ortsteil Kornischor leben nur noch von diesem zinsfreien Pachtland, ihren Gärten
und ihrer privaten Viehwirtschaft. Das reicht gerade so zum Leben, um sich davon leidlich ernähren zu können.
Deswegen waren diese armen Leute über jede Gaben und den Geschenken der deutschen Touristen so erfreut und auch so dankbar,
weil das für sie eine materielle oder auch finanzielle Unterstützung bedeutete.
Meine Autorfahrt in Czudyn ging danach auch zum Bahnhof, zu dieser Stelle, von wo aus unsere Familie und auch ich, am 07.
Oktober 1940 nach Deutschland abgefahren waren. Der Anblick des Bahnhof und der Gleisanlagen war enttäuschend, alles
verkommen und vergammelt, überwiegend ungenutzt und von Unkraut überwuchert.
Der Bahnhof Czudyn ist ein Sackbahnhof. Hier ist diese Bahnstrecke zu Ende, weil hier in Richtung Westen und Süden die höheren
Berge beginnen, die für die Eisenbahn unpassierbar sind. Nur die eine Fahrstrecke in Richtung Nordosten führt nach Storozynetz und
Czernowitz, die aber hier in Czudyn endet. Ein Betriebsgleis für den Güterverkehr führte von Czudyn die 7 km nach Krasna ins
Sägewerk und in die Sperrholzfabrik, für den Holztransport und ist auch heute noch im Betrieb.
Der Personenzug fährt nur zwei Mal am Tage, morgens ab Czudyn nach Storozynetz und abends wieder zurück.
Durch diese dortige hohe Arbeitslosigkeit und den Geldmangel ist dieser Personenverkehr mit der Eisenbahn auch nur sehr gering.
Dazu gibt es auch noch eine öffentliche Omnibuslinie nach Storozynetz, die finanziell sowie auch zeitlich weit günstiger ist als die
Eisenbahn. Danach hatte ich wir uns –bei unserer Ortsbesichtigung von Czudyn- auch unsere ehemalige deutsche römisch-
katholische Kirche angeschaut. Diese ehemalige deutsche römisch-katholische Kirche, wo ich 1930 getauft wurde, ist nicht mehr
wieder zu erkennen. Der Kirchturm wurde abgerissen, dass Gebäude ist verlottert und seit etwa 1946 befindet sich darin eine
Tischlerei und ein Holzmateriallager. Draußen um die Kirche sind hohe Bretterstapel, Balken und anderes Holzmaterial gestapelt.
Es sieht schon lange nicht mehr nach einer Kirche aus. Wer nicht weiß, dass dieses Gebäude einst ein sehr viel besuchtes Gotteshaus
war, der erahnt es heute, nach diesem Anblick auch nicht. Da es Sonntag war, in der Tischlerei nicht gearbeitet wurde und alles
verschlossen war, konnte ich mir diese unsere ehemalige Kirche nur von außen anschauen. Eine Innenbesichtigung sowie auch ein
Gespräch mit dem dortigen Tischlermeister, musste ich deswegen auf einen anderen Tage, einen Werktag verschieben.
Neben den bisherigen Enttäuschungen auf dem Bahnhof und der deutschen römisch-katholischen Kirche, erlebte ich die dritte große
Enttäuschung, auf dem ehemaligen deutschen römisch-katholischen Friedhof von Czudyn, der sich in unmittelbarer Nähe der Kirche
befindet. Dieser Friedhof in Czudyn sieht ja noch schlecht er aus, als der in Althütte. Der Zaun, also die Einfriedung des Friedhofes, ist
bereits verrottet und verfallen. Auf dem Friedhof ist alles verwuchert, nur Gras und allerlei Unkraut in voller Höhe und Blüte, wie auf
einer wilden Wiese. Die einst noch gut erhalten gewesenen Metallkreuze und Grabsteine wurden, wie auch auf anderen deutschen
Friedhöfen, vor Jahren von den Einwohnern gestohlen, abgetragen und für ihre Verstorbenen anderweitig aufgestellt.
Einige Grabstätten haben noch einige verrostete oder verfaulte Kreuze bzw. verkommene Grabsteine, meist ohne Namen. Die noch
vorhandenen vereinzelten Namen sind bereits verwittert und unleserlich. Die meisten Grabstätten sind ohne Kreuze und ohne
Namen, anonym. Nur an den leichten Anhöhen des Bodens ist in diesem Gras zu erkennen bzw. zu vermuten, dass sich dort ein Grab
befunden hatte. Auch hier in Czudyn werden heute die Toten beerdigt und damit ist für die Angehörigen alles erledigt.
Da mein Vater 1946 in Czudyn verstorben ist hatte ich hier zielgerichtet und intensiv nach seiner Grabstelle gesucht, jedoch
vergebens, weil dort davon keine Anzeigen vorhanden waren.
Unsere nächste Besichtigungsstelle war das ehemalige große Gerichtsgebäude und die große Zentralschule von Czudyn.
Beide großen massiven Gebäude sind einigermaßen, den dortigen Umständen entsprechend, gut erhalten und werden
bewirtschaftet. Die Zentralschule wird auch heute noch als Schule benutzt und das ehemalige Gerichtsgebäude wurde vor vielen
Jahren zum Schülerinternat für körperbehinderte Kinder der Umgebung umfunktioniert.
Auf dem Hof dieses ehemaligen Gerichtsgebäudes befindet sich ein großes massives Denkmal, für die dort im Jahre 1941 durch das
rumänische Militär ermordeten 634 Juden aus Czudyn und der Umgebung.
Meine Reisebegleiter berichteten mir dazu folgendes:
„Unmittelbar nach Kriegsbeginn zwischen Deutschland/Rumänien und der Sowjetunion am 22. Juni 1941 marschierten rumänische Truppen
in die Nordbukowina ein und besetzten es wieder.
Als Czudyn Anfang Juli 1941 durch die rumänischen Truppen wieder besetzt wurde, wurden alle dortigen Juden aus Czudyn und der
Umgebung am 05. Juli 1941 durch das rumänische Militär in ihren Wohnhäusern festgenommen, in das Gerichtsgebäude gebracht und
zunächst dort eingesperrt. Im Zuge dieser Verhaftungsaktion gelang es einem jungen männlichen Juden, an diesem Tage aus seiner Wohnung
im Zentrum unseres Ortes, zu fliehen, was jedoch von rumänischen Soldaten gesehen wurde.
Dieser fliehende Jude lief zu Fuß aus dem Zentrum von Czudyn in Richtung Westen durch unseren Ortsteil Kornischor und über die große
Hutweide in Richtung Gemeindewald, um sich in den Waldkarpaten zu verstecken und zu retten. Doch ein rumänischer Soldat nahm auf
einem Pferd als Reiter die Verfolgung auf, holte diesen fliehenden Juden auf unserer großen offenen Hutweide ein und erschoss diesen Juden -
am Tage- auf der Stelle, vom Pferd herab. Einige Bewohner dieser Gegend sollen diese Mordhandlung beobachtet und gesehen haben.
Aus dem Gerichtsgebäude heraus, mussten danach einige Juden hinter dem Gerichtsgebäude ein großes Massengrab schaufeln, worin sie
später alle „verscharrt“ wurden. Diese rumänischen Soldaten hatten allen Juden vorher alle Wertgegenstände, wie Bargeld, Uhren, Ringe,
Ketten, Broschen usw. abgenommen und sie zunächst ausgeplündert. Danach begann in diesem Gerichtsgebäude die Erschießung dieser 634
Juden, vom Kind bis zum Greis. Die in den unteren Räumen und der ersten Etage des Gerichtsgebäudes eingesperrten Juden wurden durch
rumänische Soldaten, in den jeweiligen Räumen innen am Fenster einzeln mit Pistolen durch Genickschuss bzw. Kopfschuss, einer nach dem
anderen, erschossen und danach aus dem offenen Fenster nach draußen geworfen.
Andere rumänische Soldaten standen draußen auf dem Gerichtshof vor den Fenstern und hatten die erschossenen Juden als Leichen in
Empfang zum Weitertransport übernommen. Mit selbst gebastelten langen Metallhaken und ähnlichen Geräten hatten sie in die Bekleidungs-
Gegenstände der Toten eingehakt und sie auf der Erde, hinter das Gebäude zum Massengrab, gezogen.
Am Massengrab waren andere rumänische Soldaten postiert, die die Aufgabe hatten, die heran gezogenen Toten in das Massengrab zu
werfen und nach Beendigung der Exitution das Massengrab mit Erde zu bedecken. So mancher dieser rumänischen Soldaten hatte sich durch
die Ausplünderung dieser Juden persönlich bereichert. Ganz brutale rumänische Soldaten schreckten nicht davor zurück, den toten Juden die
goldenen Zähne mit den Schuhspitzen herauszuschlagen, um diese so auch noch erbeuten zu können.
So soll sich da eine unmenschliche Massenmordtat am helllichten Tag abgespielt haben.“
Wie mir meine beiden Reisebegleiter auch berichtet hatten, wurde diese unmenschliche Massenmordaktion von einigen dortigen
Bewohnern gesehen und heimlich beobachtet. Auch mein über 80-jähriger Reisebegleiter, der ja gebürtiger Czudyner war, will es
auch selber gesehen und heimlich beobachtet haben. Für diese so bestialisch durch rumänisches Militär ermordeten 634 Juden aus
Czudyn und der Umgebung, wurde dieses Denkmal auf dem Hofe dieses Gerichtsgebäudes errichtet. Ich habe es persönlich gesehen
und auch bildlich festgehalten. Dieses Ehrenmal besteht aus einer großen grauen Betontafel auf einem Sockel. Die goldfarbene
Inschrift ist auf schwarzem Untergrund in russischer Schrift mit dem Text: „Den ermordeten 634 Juden 1941 durch die Okkupanten.“
Solche Judenerschießungen gab es 1941 nicht nur in Czudyn sondern auch in anderen Orten und Städten der Nordbukowina.
Diese Erschießungsaktion der Juden in mehreren Orten der Nordbukowina 1941, nach der Wiederbesetzung durch die königlichen
rumänischen Truppen, soll auf Befehl des rumänischen kommandierenden Generals dieses Frontabschnittes erfolgt sein.
In der dortigen Bevölkerung wurde danach darüber gar nicht gesprochen bzw. diskutiert. Auch die Zeitzeugen die diese
Mordprozeduren damals dort zufällig gesehen bzw. heimlich beobachtet hatten, wie auch mein alter Reisebegleiter aus Czudyn,
hatten darüber geschwiegen. Es gab dazu an keinem dieser Orte einen Protest der dortigen Bewohner gegen diese brutale
Ermordung der Juden durch das rumänische Militär. Auch von Mitlied war da nichts zu spüren oder zu hören. Die Mehrheit der
rumänischen Bewohner verhielt sich dazu passiv bis desinteressiert und als alles vorbei war, da war für sie alles erledigt.
Die Auffassung in der dortigen Bevölkerung war damals dazu unterschiedlich. Einige dortige rumänische Bewohner betrachteten
damals die Juden, aus ökonomischer und moralischer Sicht als Betrüger und Spekulanten an den dortigen Einwohnern.
Dabei spielte der Neid und die Missgunst auch eine Rolle, das sehr große soziale Gefälle zwischen den armen Rumänen und den
reichen sowie wohlhabenden Juden. Diese sozialen Gründe , die Armut vieler dortiger Rumänen, ihre Untertänigkeit sowie die
materielle und finanzielle Abhängigkeit von den reichen jüdischen Geschäftsleuten oder Unternehmern, spielte dabei auch eine
große Rolle. Ja auch so manche schlechte oder ungerechte persönliche Behandlungen der Rumänen durch jüdische Geschäftsleute
und Unternehmer führte auch dazu, dass es verallgemeinert wurde und solche Rumänen auf die „überheblichen reichen Juden“ nicht
gerade gut zu sprechen waren. Solche angestandenen, angestauten persönlichen Differenzen und Konflikte zwischen einzelnen
Rumänen und manchen Juden führten auch zu dieser antijüdischen Haltung der dortigen Bewohner. Sie führten auch zu ihrer
Haltung, in Czudyn, Storozynetz sowie Czernowitz und auch anderen Orten zu diesen Erschießungsaktionen sowie Mordtaten an den
Juden. Aus politischer Sicht wurden die Juden damals dort als Verräter am rumänischen Königreich betrachtet, weil sie mit der
Sowjetunion paktierten und bei der Besetzung der Nordbukowina am 28. Juni 1940 die Sowjetarmee als ihre Befreier betrachteten
und auch gefeiert hatten. Bei der Besetzung der Nordbukowina durch die Sowjetunion sahen viele Juden die einmarschierende
Sowjetarmee als ihre Freunde und Verbündete an. Besonders die jüdischen Studenten begrüßten am 28. Juni 1940 öffentlich auf den
Straßen und Plätzen in Czernowitz die Rote Armee mit roten Fahnen und Blumen als ihre Befreier.
Deswegen bezeichneten bereits damals so manche Rumänen, voller Hass die Juden als Verräter an ihrem bisherigen rumänischen
Vaterland. Besonders die Angehörigen bzw. Anhänger der radikalen nationalen Partei der „Cusisten“ sowie auch der „Eisernen Garde“
Rumäniens, die in ihrer gesamten politischen Haltung gegen die Juden waren, konnten damals mit diesen Beispielen voller Hass und
sehr wirksam, die Juden als Verräter darstellen. In solchen Fällen freuten diese sich über solche „konsequente Abrechnungen“ mit
den „jüdischen Verrätern“. Dieser Teil der dortigen rumänischen Bewohner sah diese Erschießungen als eine „rumänische
Vergeltung“ gegenüber den „verräterischen Juden“ an und betrachtete es mit Zufriedenheit.
Für sie war das der Tag der „ gerechten Abrechnung“ mit ihren dortigen Juden.
Andere Rumänen die eine andere Auffassung dazu hatten, hatten damals Angst darüber zu sprechen und ihre Meinung dazu zu
äußern. Sie wollten nicht, sich deswegen staatlichen rumänischen Repressalien und Verfolgungen aussetzen und politische Nachteile
bekommen. Deswegen schwiegen sie lieber darüber.
Der einstige große massive jüdische Tempel in Czudyn, der der einzige Tempel für alle Juden dieser Umgebung war, wurde im Juli
1941 durch Brandlegung vernichtet und danach vollkommen abgerissen. Nach der Hinrichtung dieser 634 Juden in Czudyn, gab es in
Czudyn und Umgebung keinen einzigen Juden mehr. Auch heute ist dort kein Jude wohnhaft.
Der jüdische Friedhof in Czudyn, der der Friedhof aller Juden der Umgebung bis 1941 war, wurde mit der Zeit, durch die Natur aber
auch durch Diebstähle von Grabsteinen sowie deren Einfassungen und auch anderen Grabschändungen verwüstet.
Auch heute noch finden dort Grabschändungen, in Form von Schmierereien und Vandalismus, durch Bewohner dieser Gegend statt.
Die dortige Polizei hat weder die Kräfte noch ein Interesse daran, sich damit zu beschäftigen.
Nach dem wir in Czudyn diese genannten und noch andere Objekte und Straßen besichtigt hatten und mir durch meine
Reisebegleiter alles erklärt und erläutert wurde, fuhren wir dann zu unserem Ortsteil Kornischor.
Dieser einzige große Ortsteil von Czudyn, der Kornischor, schließt sich nahtlos am Kern von Czudyn an und verläuft nördlich des
Flusses mit dem Namen „Czudyn“, zu beiden Seiten der Straße in Richtung Westen nach Neuhütte.
Dieser Ortsteil zieht sich in etwa 3 km Länge hin und geht durch Nebenstraßen auch in die Breite.
Wir wohnten fast am Ende dieses Ortsteils Kornischor, an der großen Gemeinde-Hutweide.
Dieser Ortsteil Kornischor war meine Geburtsstätte am 06. August 1930 und auch der ständige Wohnort unserer Familie bis Oktober
1940, bis zu unserer Umsiedlung in das Deutsche Reich. Hier in diesem Ortsteil wohnten, lebten und starben meine Großeltern
väterlicherseits, lebten meine Eltern und unsere ganze Familie. Hier in unsrem Wohnhaus bis 1940 –auf dem Berg im Ortsteil
Kornischor- starb auch mein Vater im März 1946, im Alter von 65 Jahren, an einem Schlaganfall, ganz einsam und verlassen, alleine in
jetzt diesem seinen Wohnhaus. Auf meiner Fahrt durch unseren Ortsteil Kornischor kam ich auch an meiner damaligen staatlichen
rumänischen Volksschule vorbei, die direkt an der Hauptstraße nach Neuhütte liegt. Hier machten wir Halt und besichtigten diese
meine ehemalige rumänische Volksschule, die ich von 1937 bis 1940 besucht hatte. Da es Sonntag und die Schule geschlossen war,
konnte ich die Besichtigung nur von außen, vom Hof und Schulgarten aus, vornehmen. Eine innere Besichtigung dieser Schule wurde
danach an einem Wochentag nachgeholt.
Das Gebäude der Schule von damals –1940- steht noch, jedoch durch einen Anbau vergrößert. Der alte Zaun steht auch noch da, nur
ist ihm sein Alter bereits sehr stark anzusehen. Das gesamte Schulgebäude ist sehr herabgewirtschaftet und noch mehr als nur
renovierungsbedürftig. Das Schulgebäude von außen ramponiert, der Putz zum großen Teil abgeplatzt, die Fenster und Türen fast
farblos, weil sie schon sehr viele Jahre nicht mehr gestrichen wurden. Der früher sehr schöne und stets saubere Schulhof war, wie
eine wilde Unkrautwiese. Unser ehemaliges Haupttor an der Hauptstraße war vollkommen verfault, mit Brettern zugenagelt und wird
auch nicht mehr benutzt. Der Haupteingang zur Schule ist jetzt von der Seite, durch eine primitive Pforte.
Unser damaliger Appellplatz, das damalige Hauptschmuckstück der Schule, war verwildert und existiert nicht mehr.
Der damalige sehr große Schulgarten, der damals von uns Schülern gepflegt und sauber gehalten wurde, war voller Gras und
Unkraut, durch die jahrelange Verwilderung als Schulgarten nicht mehr zu erkennen.
Dieser damaliger große Schulgarten wurde bis 1940 durch uns Schulkindern –unter der Anleitung und der Aufsicht unseres Lehrers-
bewirtschaftet und für den Verbrauch des Lehrer geerntet.
Der Zaun, also die Schuleinfriedung, war überwiegend aus der Zeit noch von vor 1940, also aus unserer Zeit. Zaunlatten fehlen,
mehrere davon waren lose oder verfault, so dass das Bild der Verkommenheit vollkommen komplett war.
Somit waren auch die Schule und der gesamte große Schulhof für mich sehr enttäuschend.
Danach waren wir endlich, durch tiefe Löcher und einer sehr schlechten Straße, die wie ein Feldweg aussah, zu unserem ehemaligen
Grundstück auf den Berg gefahren.
Meine Eltern und mit uns noch mehrere deutsche Familien, wohnten auf diesem Berg, auf einer ziemlichen Anhöhe, mit einer
schöner Aussicht nach Süden, nach Krasna, Althütte und Neuhütte sowie in die Waldkarpaten und ins Karpatengebirge.
Dieser Berg und damit auch unserer damaliger Wohnsitz hatte eine Höhe von etwa 460 m über dem Meeresspiegel.
Deswegen waren während des Ersten Weltkrieg auf dieser Berg und auch in unserem Obst- und Gemüsegarten, durch das russische
Militär Artilleriestellung errichten worden. Für die militärischen Kräfte beider Seiten war das damals ein wichtiger Stellungsbereich
für schwere Kriegstechnik und damit auch ein wichtiges strategisches Ziel, jedoch damals ohne Folgen.
Das rumänische Militär erbaute 1938/39 auf diesem unseren Berg, auf der großen Gemeinde-Hutweide, unterirdisch eine
Luftbeobachtungsstation für anfliegende feindliche Flugzeuge aus dem Norden, die bis Sommer 1940 durch rumänische Soldaten
besetzt war. Heute stehen dort auf dem gesamten Berg und auch der weiteren Umgebung die damals von Deutschen bewohnt war,
weder ein Haus noch ein Stall und auch kein Obstbaum. Das alles wurde 1946/1947 durch die Sowjetarmee abgerissen und dem
Erdboden gleich gemacht.
Heute ist dort auf diesem Berg, wo einst mehrere deutsche Häuser standen, kein Stein, kein Fundament, kein Balken oder Brett zu
finden, auch keine Spuren von unserem Haus oder anderen deutschen Nachbarhäusern.
Auch unser großer Obstgarten sowie die Obstgärten unserer deutschen Nachbarn sind vollkommen verschwunden. Nicht ein
Obstbaum ist heute dort in diesem Bereich zu finden.
In den Jahren 1946/1947 wurde auf diesem gesamten Berg zielgerichtet alle Häuser abgerissen, die Bäume abgeholzt, um das
ehemalige dortige deutsche Anwesen zu liquidieren und darauf sowie auch auf der großen Gemeindehutweide den
Panzerübungsplatz zu errichten, der mehrere Quadratkilometer groß ist.
Daher konnte ich hier nur noch die Stelle unseres Hausplatzes sowie unseres Grundstückes vorfinden, wo einst alles gestanden und
sich befunden hatte. Mehr war dort nicht vorzufinden.
Danach suchte ich auch noch in dieser Umgebung von Haus zu Haus, nach alten ortsansässigen und ortskundigen Bewohnern von
vor 1940, die schon gut über 70 Jahre alt waren und auch meine Eltern kannten, um von ihnen –über unsere Familie und den Ort-
einige für mich brauchbare Informationen zu erhalten. Ich fand auch solche alte Leute, die mir vor Ort dort alles zeigten und dazu
auch einiges erläutern konnten.
Dabei erhielt ich folgende Informationen:
„Nachdem im Oktober 1940 alle Deutschen von dort in das Deutsche Reich umgesiedelt wurden, verblieben auf unserem dortigen Berg –an
der großen Gemeinde-Hutweide- nur noch mein Vater und mein ältester Bruder Adolf mit Familie wohnhaft. Alle anderen Wohnhäuser der
umgesiedelten Deutschen, blieben zunächst noch leer.
Da zu dieser Zeit auf diesem Berg nur noch zwei Kosiul (mein Vater und mein Bruder mit Ehefrau und Kinder) wohnhaft waren, erhielt dieser
Berg damals im dortigen Volksmund den Namen „Kosiulsberg“, der bei den dortigen alten Leuten bis heute noch so bekannt ist.
Nach der Umsiedlung der dortigen Deutschen, hatten viele rumänischen Bewohner dieser Umgebung, die deutschen Häuser und
Bauerngehöfte nach allen beweglichen brauchbaren Dingen durchsucht und alles was sie gebrauchen konnten mitgenommen.
Nach einiger Zeit, begannen einige dreiste dortige Bewohner diese verlassenen deutschen Wohnhäuser zu beziehen und hatten sich dort für
immer auch einquartiert. Im darauf folgenden Frühjahr 1941 nahmen sie sich auch die günstigen Ackerflächen im Besitz und machten
darauf auch ihre Frühjahrsbestellung. Die örtliche staatliche Verwaltung kümmerte sich damals nicht, weder zu sowjetischer Zeit noch
danach in rumänischer Herrschaft, um dieses staatliche Eigentum und duldete diese eigenmächtige Besetzung der ehemaligen deutschen
Wohnhäuser und Bauernhöfe. Danach zogen immer mehr Rumänen in diese ehemaligen deutschen Wohnhäuser sowie Bauernhöfen ein. Sie
blieben darin wohnhaft und nahmen alles was sie wollten und konnten, für immer in ihrem Besitz.
Von den nicht wieder besetzten ehemaligen deutschen Wohnhäusern, wurden durch die Bewohner dieser Gegend, die Türen, Fenster und
auch noch anderes Material herausgerissen und für sich als Baumaterial oder auch als Brennholz verwendet.
Im März 1944 besetzte die Sowjetarmee dieses Gebiet der Nordbukowina wieder für immer und es wurde territorial sowie administrativ der
damaligen „Ukrainischen Sozialistischen Republik“ angeschlossen. Danach wurde bereits im Sommer 1944 im gesamten Gebiet der
Nordbukowina eine Volks-, Vieh- und Hauszählung durchgeführt sowie die gesamten landwirtschaftlichen Flächen nach ihren Parzellen und
Eigentümern erfasst. Danach gab es erst wieder eine genaue amtliche Übersicht über das Vorhandensein und auch der Zusammensetzung
der dortigen Bewohner, über die Wohnhäuser und Bauernwirtschaften, das Hausvieh, die Gärten und Ackerflächen sowie deren amtlichen
Eigentümer. In der weiteren Folge wurde in unserem Ortsteil Kornischor eine landwirtschaftliche Kolchose gegründet. Darin wurden die
ganzen Ländereien der deutschen Umsiedler sowie auch der dortigen Rumänen und Ukrainer zusammengefasst und durch die
Kolchosmitglieder gemeinschaftlich gearbeitet. Diese gesamte dortige Umgebung im Kornischor wurde dann durch die dortige Kolchose
bewirtschaftet. Mein Vater war während des ganzen Krieges in unserem Haus geblieben, hatte unsere ganze kleine Bauernwirtschaft weiter
geführt und so zu Hause den Krieg auch gut überlebt. Mein ältester Bruder Adolf war mit seiner Familie (mit Ehefrau und 4 Kindern), nach
unserer Umsiedlung im Oktober 1940 in unser Wohnhaus zum Vater eingezogen und hatten dort gemeinsam gelebt und gewirtschaftet.
Als im März 1944 die Ostfront sich unserer dortigen Gegend näherte, flüchtete mein Bruder Adolf mit seiner Familie in das westliche
rumänische Gebiet. Da die Nordbukowina wieder für immer zur Sowjetunion gehörte, konnte mein Bruder danach auch nicht wieder
nachhause nach Czudyn zurückkehren. Da mein Vater im März 1944 nicht mit meinem Bruder flüchten wollte, verblieb er dort in unserem
Wohnhaus –bis zu seinem Tode im März 1946- alleine zurück. Nach der Flucht meines ältesten Bruders Adolf mit seiner Familie aus Czudyn
im März 1944 in das westliche Gebiet von Rumänien, zog in das ehemalige kleine Wohnhaus meines Bruders Adolf, mit Zustimmung meines
Vaters- eine ältere allein stehende rumänische Frau mit ihrer 20-jährigen Tochter ein und blieb auch darin wohnen.
Diese ältere rumänische Frau hatte mit ihrer Tochter meinem Vater in seiner Haus- Hof- und Landwirtschaft unterstützt und sich davon auch
ernährt und gelebt. Als mein Vater Ende des Jahres 1945 seinen ersten Schlaganfall erlitt und danach halbseitig gelähmt, also
körperbehindert war, hatte diese alte rumänische Frau ihm mit versorgt und mit ihrer Tochter seine gesamte Haus- und Hofwirtschaft alleine
betrieben. Im März 1946 erhielt mein Vater seinen zweiten Schlaganfall und ist daran dann auch verstorben.
Diese ältere rumänische Frau hatte meinen Vater auch beerdigt, zog danach in sein großes Wohnhaus ein und übernahm seinen gesamten
Nachlass, weil er ja dort auch keine Erben mehr hatte. Danach hatte diese ältere rumänische Frau mit ihrer Tochter die gesamte Haus- und
Hofwirtschaft meines Vaters an sich genommen, als ihr Eigentum betrachtet und bewirtschaftet. Da diese ältere rumänische Frau sowie auch
ihre Tochter im Jahre 1996 (bei meinem dortigen Besuch), bereits verstorben waren und daher nicht mehr gelebt hatte, konnte ich durch sie
direkt nichts mehr über meinen Vater erfahren.
Im Sommer 1946 wurde dort unsere große Gemeinde-Hutweide und auch die gesamte Wohngegend auf unserem dortigen Berg –wo bis
Oktober 1940 nur Deutsche wohnten- zum sowjetischen Militärgebiet erklärt und danach darauf ein großes Panzerübungsgelände errichtet.
Darauf wurden danach bis 1990 Panzer-Fahrschulen, Panzerübungen und auch große Panzermanöver durchgeführt.
Alle Bewohner der dortigen Wohnhäuser, die danach im sowjetischen Militärgebiet wohnhaft waren, mussten danach diese Wohnhäuser
verlassen und in andere Wohnhäuser des Ortes umziehen. Danach wurden alle diese Wohnhäuser und Bauerngehöfte auf unserem Berg und
dessen Umgebung, die im sowjetischen Militärgebiet lagen, im Jahre 1946 / 1947 abgerissen und alles dem Erdboden gleich gemacht.
Da mein Vater bereits im März 1946 dort verstorben ist, hatte er diese große militärische Aktion des Umzuges seiner Nachbarn und der
dortigen Bewohner, nicht mehr miterlebt. Danach wurde auf dieser großen Gemeinde-Hutweide und auch diesem ehemaligen Wohnbereich
der Deutschen dieses große Panzerübungsgelände errichtet. Das gesamte Gelände umfasst viele Quadratkilometer. Ich konnte es –bei
meinem dortigen Besuch 1996- nicht exakt erforschen und selber auch nicht abschätzen, weil es sehr groß und auch sehr hügelig sowie
unübersichtlich ist. Hier auf diesem Panzerübungsgelände, wurden die Panzerfahrschule sowie Panzerübungen durchgeführt und auch große
Panzermanöver veranstaltet.
Eine große Tribüne auf einer Anhöhe, dieses ehemaligen Panzerübungsgeländes, zeugt heute noch davon, dass bis 1990 von dort aus, hohe
sowjetische Generale und Militärbeobachter mittels Feldstecher die großen Panzermanöver verfolgt und begutachtet hatten.
Heute steht dort alles verwaist, verlassen, verwüstet und unbenutzt.
Auf diesem Panzerübungsgelände wurde 44 Jahre lang, bei jeden Wetter mit Panzer herum gefahren und Krieg geübt“, Panzerdeckungen
ausgebaut und auch Infanterieschützengräben, MG-Stellungen usw. errichtet. Danach sahen auch das ganze Gelände und auch unser Berg
heute aus, wo wir einst gewohnt hatten. Das gesamte Gelände ist von Ausgrabungen, Stellungen, tiefe Panzerkettenspuren und vielen anderen
aufgewühlten Unebenheiten gekennzeichnet. Dieses ganze Gelände ist so uneben, dass man auch bei trocknem Wetter es mit dem Auto nicht
befahren kann. Also ein durchweg aufgewühltes und verwüstetes Gelände, was einst mal meine Heimat war, unser Haus, Hof und
anschließend die große grüne „Hutweide“ für unser Viehzeug. Der Boden ist dort heute sehr mager und unfruchtbar, so dass nur weniges
wildes Gras darauf wächst. Es sieht aus, wie eine Kraterlandschaft. Dieses Gebiet ist heute ukrainisches Militärgebiet, wird aber seit
1991jedoch als militärisches Übungsgelände nicht mehr genutzt.“
Trotz der vielen Veränderungen und Verwüstungen auf dem Berg unseres damaligen Wohngebietes, hatte ich die Stelle gefunden, wo
einst unser Haus, Hof, Stall und Scheune standen. Ich konnte die Stelle unseres ehemaligen Obstgartens ausmachen und auch die
Stelle finden, wo einst unser Wasserbrunnen war. Auch der Wasserbrunnen existiert heute nicht mehr, er ist verschüttet. Nur eine
kleine feuchte Vertiefung an der Erdoberfläche deutete darauf hin, dass dort der Brunnen gewesen ist. Man kann von dem Ganzen
nichts sehen, sondern es sich nur vorstellen. Bei dieser Suche und Besichtigung unseres ehemaligen Wohnplatzes wurde ich dort vor
Ort auch von mehreren dortigen ortskundigen Einwohnern unterstützt und mit Informationen bedacht. Die Informationen dieser
alten ortskundigen Leute im Ortsteil Kornischor, die ich von ihnen über meinem Vater und Bruder sowie über unser dortiges
ehemaliges Wohngebiet bekam, stimmten im Wesentlichen mit meinen Vorstellungen überein.
Über die Krankheit, den Tod und die Beisetzung meines Vaters konnte ich wohl einiges erfahren, jedoch nicht alles, was ich wissen
wollte. Diese alten Leute hatten bereits vieles im Detail vergessen, oder wollten es mir nicht sagen.
In diesen 56 Jahren sind sehr viele Zeitzeugen der damaligen Zeit verstorben, die mir ihre Kenntnisse hätten vermitteln können. Doch
im Jahre 1996 war es schon zu spät, um noch konkret einiges Wissenswertes für mich, über einen Teil meiner Familie zu erfahren.
Diese Zeitzeugen sind bereits tot und haben ihre Kenntnisse mit ins Grab genommen.
Die dortige heutige junge Generation interessiert sich für diese alten Geschichten nicht, ist daher darüber unwissentlich und konnte
mir auch nicht helfen. An der Stelle des Gedenkens vor unserem ehemaligen Hausplatz gingen mir sehr viele Gedanken durch den
Kopf, auch wie schicksalhaft unsere Familie durch die Kriegsereignisse, heute an verschiedenen Stellen in Europa in der Erde liegt.
Mein Vater liegt seit 1946 hier in Czudyn, in der Nordbukowina begraben. Mein ältester Bruder Adolf ist 1989 in Vama bei Suczawa in
der Südbukowina verstorben. Mein anderer Bruder Rudolf ist Anfang Dezember 1941 vor Moskau gefallen.
Meine Schwester Elisabeth liegt seit 1984 in Neukirchen bei Chemnitz in Sachsen und meine Mutter liegt seit 1973 hier in
Neubrandenburg, in Mecklenburg beerdigt. Jeder von uns liegt an einer anderen Stelle. Und ich bin davon noch der Einzige am Leben
und der Allerletzte, der 2 Generationen unserer Familie, der dann mit seinem Ableben das Familienbild abrunden sowie abschließen
wird. Diese und viele andere Gedanken der Besinnung gingen mir, in den nur wenigen Gedenkminuten an meiner Geburtsstätte,
durch den Kopf.
Nach allen diesen Besichtigungen und Nachforschungen an diesem Sonntag, hatte ich meine Exkursion beendet und mit meinen
beiden Reisebegleitern den Ortsteil Kornischor verlassen. Danach fuhren wir mit dem Auto ins Zentrum von Czudyn, zu meinen
Reisebegleitern nach Hause. Dort zuhause bei meinem Reisebegleiter und Kraftfahrer Herrn Kliuch war bereits unser Reisebus aus
Althütte, mit allen Althütter Reisegästen, zu einem kleinen privaten Empfang eingetroffen.
Hier war durch die Hausfrau für uns alle reichlich Essen vorbereitet und wir wurden dort reichlich mit Essen und Getränken versorgt.
So hatten wir bei diesem privaten Empfang des damaligen Deutschsprechenden Schuldirektors von Althütte, in seinem Wohnhaus in
Czudyn, einige Zeit gemütlich, bei Essen und Trinken sowie deutscher Musik und dazu den eigenen Gesang, verbracht.
Zum Abend ging es dann wieder mit unserem Reisebus nach Czernowitz, in das Hotel zurück, wo die Kellner mit dem Abendessen
bereits auf uns gewartet hatten. Mit guten Getränken, freundlicher Musik und netten Unterhaltungen innerhalb unserer Reisegruppe
im dortigen Restaurant, hatten wir dann diesen Sonntag abgeschlossen.
An diesem Sonntag strömten in meinem ehemaligen Heimatort Czudyn einfach zu viele Informationen und Erkenntnisse auf mich
ein, was ich alles exakt erfassen und behalten wollte. Ich konnte dieses alles gar nicht gleich so glauben, was und wie ich es gesehen
und gehört hatte. Ich musste es erst verarbeiten und in mein Tagebuch erfassen.
Durch meine nervlichen Anspannungen und den vielen Überraschungen der Erlebnisse und Informationen in meinem Geburtsort
Czudyn, war ich wie im „Rausch“, leicht benommen und hatte deswegen dort vieles nur oberflächlich zur Kenntnis genommen.
Abends in meinem Hotelzimmer -an meinem Tagebuch- lief der Tagesablauf, wie ein Film an mir vorbei, so dass dabei auch danach
noch viele Fragen bei mir entstanden waren, die ich noch nicht beantworten konnte. Als ich schon im Bett war, hatten mich diese
vielen Erlebnisse, Informationen und noch offenen Fragen immer noch beschäftigt, so dass ich gar nicht einschlafen konnte.
Erst nach der Einnahme von Beruhigungs- und Schlafmittel bin ich fest eingeschlafen und war am Montagfrüh wieder ruhig,
entspannt und ausgeglichen.
Die Stadtrundfahrt in Czernowitz, in unserer ehemaligen Landeshauptstadt
Am Montag, dem 03. Juni1996 –dem 4. Aufenthaltstag- machten wir mit unserem Reisebus eine ganztags Stadtrundfahrt durch
unsere ehemalige Landeshauptstadt Czernowitz und besichtigten sie. Unsere ukrainische Reiseführerin und deutsch sprechende
Dolmetscherin aus unserem Hotel, hatte uns dabei begleitet und uns alles Sehenswürdiges erklärt sowie erläutert.
Czernowitz war bis zur ersten sowjetischen Besetzung Juni 1940 und danach auch bis zur zweiten sowjetischen Wiederbesetzung im
März 1944, die Landeshauptstadt der gesamten Bukowina, die damals zum Königreich Rumänien gehörte.
Am 26. Juni 1940 wurde die Nordbukowina von der damaligen Sowjetunion für immer besetzt, Ende Juni 1941 geräumt sowie
verlassen und im März 1944 wieder zurück erobert. Seit dem Jahre 1944 ist die Bukowina und ihre Bewohner in dem Teil der früheren
sowjetischen bzw. der heutigen ukrainischen Nordbukowina und dem Teil der rumänischen Südbukowina getrennt.
Heute ist Czernowitz die Gebietshauptstadt der Nordbukowina, was zur Ukraine gehört und Suczawa ist demzufolge die
Regionalhauptstadt der Südbukowina unter Rumänien.
Bis zum 2. Weltkrieg beherrschten das Stadtbild von Czernowitz, die vielen Biedermeier-Fassaden, aus der Bauzeit vor 1900 und kurz
danach, die meist von deutschen Architekten der Wiener Schule ausgeführt worden waren.Auch das Stadtzentrum von Czernowitz
wurde um 1900 durch Wiener Architekten errichtet. Der Anblick von Czernowitz hatte dadurch auch starke westeuropäische Prägung.
So manche Kenner und Baufachleute sagten bereits früher zum gesamten Baustil der Stadt: Die Stadt Czernowitz käme ihnen vor, als
eine Vorstadt von Wien und wurde damals deswegen oft auch als „Klein Wien“ genannt.
Dieser Baustil, der damals errichteten Gebäude ist auch noch heute vielerorts in Czernowitz vorhanden und verhältnismäßig noch
gut erhalten.